exit RACISM von Tuboka Ogette

Veröffentlicht von MeinolfMeyer am

tl;dr: Meine erste echte direkte Auseinandersetzung mit Rassismus in Deutschland, geschrieben von einer in Deutschland geborenen Schwarzen/Person of Color.

Ich habe von Tuboka Ogette zum ersten Mal durch Kolleg*innen bei Google im Hamburger Büro gehört, als ich mich einer (weitgehend internen) Anti-Rassismus Initiative angeschlossen hatte und dann hörte, dass Tupokas Arbeit in vieler Hinsicht Vorbild und Inspiration ist. Sie und ihr Mann machen auch Workshops für Schwarze Menschen und „Weiße“ bei Google.

Ihr kurzes Buch, das in Teilen auch als Arbeitsbuch in Ergänzung zu ihren Workshops dient, bzw. die Workshops auch ersetzen soll, hat für mich mehrere Funktionen gehabt: (1) Sie gibt mir einen Einblick, wie sie in Deutschland als Schwarze aufgewachsen ist, denn ich habe darüber mit niemandem Kontakt gehabt. (2) Sie stellt in knapper, klarer Sprache ihre Geschichte von Deutschland und Rassismus vor. Für mich war das immer automatisch mit der NS-Zeit verbunden, eine Einengung, die wir auflösen müssen. Dass den den meisten von uns in Deutschland die Stichworte „Herero-Aufstand“ und „Lothar von Trotha“ wenig sagen (mehr hier), stellt sie zu Recht als eine Art Verdrängung unserer Rassismus-Geschichte dar. (3) Schließlich gibt sie für mich eine ganze Reihe Möglichkeiten an, wie man zu einem Perspektiv-Wechsel kommen kann, als „Weißer“/Privilegierter. Ihr Stichwort ist ein sog. rassismuskritischer Alltag, den sie uns ans Herz legt.

Ich empfehle das Buch – besonders, wenn es wie bei mir eine erste eigene Auseinandersetzung mit dem Thema ist.

Trotzdem bleiben für mich viele Fragen offen: Ist der Begriff „Rassismus“ wirklich zur Herbeiführung eines besseren Miteinander in der Gesellschaft hilfreich? Wenn Ja, dann ist der rassismuskritische Alltag oder auch der sog. „Anti-Rassismus“ das Richtige. Wie kann eine Gesellschaft benachteiligten Gruppen Gehör geben, ohne (wie die Sorge von Konservativen lautet) jeder sich irgendwie äußernden Gruppe ein Forum, Sonderrechte usw. geben müssen? Ich finde es richtig, dass wir nicht mehr „Negerkuss“ sagen heute, aber wie kann man in anderen Fällen über die richtige Sprache und den richtigen Umgang ringen, ohne sich gleich Rassismus bzw. Spinnerei vorzuwerfen?

Nachtrag aus Dezember 2021: Ich habe nun Tuboka selbst einmal in einer zweistündigen Videokonferenz mit unserer Initiative im Büro erlebt. Ein starke, sehr empathische, aber auch super-analytische Person – ich war sehr beeindruckt.