No Rules Rules – Netflix and the Culture of Reinvention (2020) von Reed Hastings und Erin Meyer
tl;dr: Eines der Top-Business-Bücher der Jahre 2020 und 2021, aber aus meiner Sicht totaler Mist. Mehr Verpackung als Inhalt. Wenig Übertragbares. Nicht das Geld und noch wichtiger die Zeit wert.
Da kann ja eigentlich nichts schief gehen: Das Buch wurde bei Google im Management herumgereicht, einzelne Teile und Ideen zitiert. Es schreibt ein Gründer-CEO, Reed Hastings, der das Unternehmen Netflix, ursprünglich ein Online-Verleih für per Post versandte DVDs („Flicks“, Filme also), zu einem dominierenden Unternehmen im Streaming geführt hat. Ko-Schreiberin eine renommierte Professorin von INSEAD, Erin Meyer. Empfohlen von McKinsey auf der Shortlist Business Books of the Year 2020.
Eins ist gut: Layout, sonstige grafische Gestaltung, das abwechselnde Schreiben der beiden Autor*innen, die vielen Grafiken und Textblöcke – einfach toll gemacht.
Aber trotzdem: Die erstaunliche Geschichte von Netflix (mehr hier), zumindest so wie sie das Buch erzählt, bietet wenig Hilfreiches für andere Menschen, die sich fragen, wie sie ihre Abteilungen oder Unternehmen erfolgreich machen können. Trotz aller Detailbeschreibungen von Aspekten der Unternehmenskultur (bzw.: den Unternehmensprozessen) leuchtet nicht ein, wie die zum Erfolg geführt haben sollen. Meines Erachtens hat Netflix im richtigen Moment die richtigen Geschäftsentscheidungen (an der Spitze, relative einsam) getroffen und dabei viel Glück gehabt. Die derzeit laufende Eroberung der Welt findet in einer Branche statt, die extrem spezifisch ist, wo entscheidende Dinge über den Erfolg neuer Serien z. B. außerhalb der eigenen Organisation entschieden werden, die eigenen Mitarbeiter vielfach eher eine Abwicklungsmaschine betreiben.
Einige Beispiele aus den Ratschlägen: „Talent Density“: Interessant, aber sicher nicht für den Erfolg von Netflix verantwortlich. Totale Offenheit in der Führung: Nichts Neues. Keine Urlaubsregelungen, totale Eigenverantwortung: Können in wachsenden Tech-Unternehmen aber helfen reifen Unternehmen nicht, so dass sich auch Netflix davon wieder verabschieden wird (meine Vermutung). „Keeper Test!“ – eine interessante Überlegung, die eigenen direkten Mitarbeiter zu bewerten, die aber eine Reihe Schwächen hat und am ehesten für Start-ups geeignet ist aus meiner Sicht. Ich bin gern jederzeit zu einer Diskussion bereit, warum all dies kein Blueprint für bessere Führung und besseres Wirtschaften oder „New Work“ ist.
Vielleicht noch ein versöhnlicher Abschluss: Grundsätzlich richtig ist, dass Unternehmenskultur und Führung als stark formbar durch Prozesse angesehen wird (und nicht als diffus beschreibbare Haltung der Mitarbeiter*innen oder Führungskräfte). Das ist hilfreich, für alle, die die „Kultur“ ihrer Organisation ändern wollen. Mehr dazu an anderer Stelle.