Olympia (2020) von Volker Kutscher

Veröffentlicht von MeinolfMeyer am

tl;dr: Dies ist die achte und letzte Folge der Geschichten über den Kriminalkommissar Gereon Rath im Berlin der späten Weimarer Republik und frühen Nazi-Zeit. Ganz kurz: Eine absolute Empfehlung für Menschen, die einfach gute Romane lieben oder die wissen wollen, was wir aus dieser Zeit für heute lernen können, oder auch einfach für Krimi-Freunde.

Ich hatte vorher schon alle anderen sieben Bücher von Volker Kutscher verschlungen, in denen Gereon Rath, aus dem katholischen Rheinland des späteren Bundeskanzlers Adenauer nach Berlin verschlagen, als eigentlich unpolitischer Mensch immer wieder in die Verstrickungen der endenden Weimarer Republik und der aufstrebenden Nazi-Herrschaft gerät. Dabei will nur Mordfälle lösen… Auch die Fernseh-Adaption „Babylon Berlin“ eines Teils des Materials halte ich für erstklassig mit tollen Schauspielern, mit teilweise auch ganz unabhängig von den Buchvorlagen gut „gezeichneten“ Charakteren (Spoiler: Wie meist auch sonst sind die Buchvorlagen trotzdem besser).

Damit war klar – auch der letzte Band muss schnell ins Haus und lag auch als Geschenk für mich schon kurz nach dem Erscheinen als Hardcover vor mir. Aber wie man manchmal mit dem Trinken eines guten Weins auf den richtigen Zeitpunkt wartet, habe ich bis April gebraucht – dann war „Olympia“ auch wieder in wenigen Tagen verschlungen. Es ist wieder ein Meisterwerk – welches der acht Werke mein Lieblingsband ist, muss ich bei Gelegenheit einmal überlegen.

Über den „Plot“ kann man sich überall informieren, es geht natürlich um Olympia 1936 – mit allen seinen politischen und sportpolitischen Strängen ein Ereignis, das von Kutscher wieder toll eingefangen wird neben der Krimi-Handlung. Ähnlich brilliant hat Kutscher in den anderen Bänden schon die Verbindungen der SA zur Berliner Unterwelt, die Verbindungen zwischen Reichswehr und Nazis, die Säuberung der Polizeikräfte, den sog. Röhm-Putsch und die Gleichschaltung der Presse „am Rande“ der anderen Krimis den Leser*innen nahe gebracht.

Zwei gedankliche Verbindungen, die ich selbst für mich mache nach der Lektüre:

1.) Die Rath-Bücher sind für auch an vielen Stellen Reflektionsfläche für die aktuellen Bedrohungen der Demokratie in Deutschland und anderen Ländern. Die Mechanismen rechtsextremer Kräfte sind immer noch gleich: Chaos erzeugen, dann sich selbst als Retter anbieten; die freie Presse ausnutzen und später gleichschalten; Verbündung mit dümmlichen Gestalten am rechten Rand der demokratischen Parteien und das ständige Erzeugen von Feindbildern.

2.) Der Olympia-Hintergrund der Geschichte wurde auch im Film „Berlin 36“ von Caroline Herfurth aus dem Jahr 2009 verarbeitet. Der Film, der die wahren Geschichten einer jüdischen Hochspringerin, die am Ende nicht antreten darf (weil die Nazis Angst vor ihrer Goldmedaile hatten) und Konkurrentin, die nach den Spielen als Mann inditifziert wurde, recht frei umdichtet und verändert, wurde zu Recht mit viel Kritik bedacht – er ist mir aber trotzdem gut in Erinnerung geblieben. Die Bilder, die wir sonst von Olympia 1936 kennen, sind sonst immer auf die Propaganda von Reni Riefenstahl und US-Schnipsel zu Jesse Owens beschränkt gewesen – zumindest bei mir. Sowohl Herfurths Film als der letzte Rath liefern eine Erweiterung.